Nordkorea

Dezember 15, 2017

Die durch erfolgreiche Versuche bewiesene Fähigkeit von Nordkorea (People’s Republic of Korea, PRK) unter Kim Jong-un (Kim), Nuklearwaffen über weite Distanzen einzusetzten, hat Auswirkungen auf die unmittelbare Nachbarschaft, auf den Grossraum Asien-Pazifik und weltweit, eingeschlossen der Schweiz. Für den in Asien tätigen Unternehmer sind insbesondere Drittwirkungen internationaler und nationaler (USA) Sanktionsmassnahmen zu beachten.

Die PRK bedroht unmittelbar ihre zwei westlichen Nachbarn Südkorea (Republic of Korea, ROK) und Japan. Auch im Falle eines technisch wohl machbaren Präventivschlages der USA gegen das Nukleararsenal der PRK, muss mit einer konventionellen Zweitschlagkapazität der RPK gegen die bevölkerungsreichsten Teile der ROK gerechnet werden. Zudem kann ein ‘übriggebliebenes’ Nukleargeschoss nicht ausgeschlossen werden, welches Japan erreichen könnte.

Beide Länder sind also direkt bedroht; ihre demokratisch gewählten Regierungen sind gegenüber ihren Bürgern verpflichtet, glaubwürdige Abschreckung aufrechtzuerhalten. Dies gilt insbesondere für Seoul, das nicht ausschliessen kann, dass Kim seine Nuklearbewaffnung nicht nur aus Selbsterhaltungstrieb verfolgt, sondern die Halbinsel gewaltsam wiedervereinen will: der Enkel würde vollenden, was sein Grossvater Kim Il-sung im Koreakrieg nur halbwegs zustande brachte.

Die Abschreckung besteht grundsätzlich aus den zwei Teilen eigene Aufrüstung und dem Schutzschirm der USA. Aufrüstung, konsequent zu Ende gedacht, könnte Nuklearbewaffnung für Japan bedeuten, allenfalls gemeinsam mit der ROK.

Die USA stecken angesichts der zunehmenden Belligerenz von Kim in einem Dilemma, welches sich weder durch vorsichtige Zurückhaltung (Obama) und noch weniger durch kriegerische Rethorik (Trump) verdrängen lässt. Washington ist nach dem 2. Weltkrieg für Japan, und nach dem Koreakrieg für die ROK sicherheitspolitische Verpflichtungen eingegangen. In beiden Ländern sind zu deren Bekräftigung amerikanische Truppen stationiert.

Washington ist also einerseits verpflichtet einzugreifen, falls Kim in seiner Nachbarschaft offensiv vorgeht. Zudem sind amerikanische Vorposten im Pazifik (Guam) bereits heute direkt von nordkoranischen Nukleargeschossen bedroht, in Zukunft gilt dasselbe allenfalls für die amerikanische Pazifikküste. Andererseits ist ein amerikanischer Alleingang ohne enge Koordination mit den verbündeten Japan und ROK nur schwer vorstellbar. Seoul, aber wohl auch Tokio, dürften nur im äussersten Notfall ihre Zustimmung geben, insbesondere auch zu nuklearem Vorgehen. Durch Trump’s Kriegsrethorik hat sich bereits ein Graben aufgetan zwischen den USA und der ROK, indem insbesondere jüngere Südkoreaner – im Gegensatz zu ihren Eltern –   sich einen ‘shooting war’ mit dem Norden kaum mehr vorstellen können.

Der Schlüssel zu einer nicht-kriegerischen Lösung des Problems Nordkorea liegt in der Hand Chinas. Das nach stalinistischen Prinzipien regierte Nordkorea ist in der Folge des Eingreifens Chinas auf Seiten des kommunistischen Nordens im Koreakrieg in zunehmender Abschottung von der Welt entstanden. Dies in Anwendung einer Jahrtausende alten Strategie, gefährliche Konkurrenten und Feinde mittels eines Gürtels von tributpflichtigen Vasallenstaaten und Nachbarn von seinen Grenzen fernzuhalten.

Das heutige Nordkorea dient der gleichen sicherheitspolitischen Strategie. Mit dessen Aufrüstung hat sich China jedoch in ein Dilemma manövriert. Eine wie auch immer geartete Abrüstung, bis hin zum wirtschaftlichen Zusammenbruch des Nachbarlandes würde an seiner Grenze ein Machtvakuum schaffen, das es nicht akzeptieren kann. Das Dilemma beruht also auf der Gefährdung des Weltfriedens durch Nordkorea einerseits und der vertrauensunwürdigen amerikanischen Politik unter Trump andererseits, die in Verbindung miteinander zutiefst sitzende chinesische Sicherheitsbedürfnisse verletzten.

China, zur Zeit des Koreakrieges noch unterentwickelt, hat sich aufgerappelt und sieht sich unter Präsident Xi Jinping auf geradem Weg zur sinozentrischen Kontinentalherrschaft via wirtschaftliche und sicherheitspolitische Machtentfaltung. Ein wegen Nordkorea losbrechender Konflikt würde diese Entwicklung in unkontrollierbarer Weise unterbrechen.

Der Weg aus dem Dilemma kann nur über ein Einvernehmen mit den USA erfolgen.Voraussetzung dafür ist mittelfristig ein Konsens zur Machteilung im Grossraum Asien-Pazifik. Die Kriegsrethorik zwischen Kim und Trump stört diesen Prozess empfindlich. Genau so wenig, wie Beijing als straff durchorganisierter Einparteienstaat ein demokratisches, prosperierendes, auf unternehmerische Eigenverantwortung basierendes Gesamtkorea in unmittelbarer Nähe dulden will und kann, so wenig kann sich Washington leisten – ‚America first‘ hin oder her – Seoul als Verbündeten im Moment direkter Bedrohung fallen zu lassen.

Die Konsequenzen für Korea und Japan und auch Südostasien (ASEAN) und Südasien (Indien) eines solchen amerikanischen ‘appeasement’ wären völlig unabsehbar. Angesichts der somit weiterhin, und in der Folge der Kim’s Nukleardrohung noch verstärkt im Pazifik präsenten US-Truppen, bleibt neben der Gefahr die von Kim ausgeht auch jene einer versehentlich ausgelösten Eskalation zwischen den zwei Supermächten des 21. Jahrhunderts. Dies etwa anlässlich amerikanischer Patroullientätigkeit im von Beijing zum ‘mare nostrum’ erklärten südchinesischen Meer oder bei Luftaufklärung über der koreanischen Halbinsel.

Und die Rolle Europas in diesem Szenario? Wenn überhaupt, kann höchstens die EU macht- und vor allem wirtschaftspolitisch im Zukunftsraum Asien-Pazifik etwas bewirken. Grossbritannien, allerdings selbstverstümmelt durch seinen Brexit, auf der Basis seiner aus der Vergangenheit herrührenden Bande, Frankreich mit Blick auf seine weiterhin bestehenden territiorialen Besitzungen im Pazifik und Deutschland als global zentrale ‘Industriewerkstatt’ bringen als Anführer einer geschlossen auftretenden EU ein gewisses weltpolitisches Gewicht auf die Waage, welches ein Mitreden auf Augenhöhe in Asien erlaubt.

Eine schweizerische Nischenpräsenz auf der koreanischen Halbinsel besteht. Dies in Form einer Minidelegation, und ihrer historischen Rolle, an der innerkoreanischen Grenze sowie von nicht ganz unbeträchtlichem Wirtschaftsgewicht in der ROK und in Japan. Diese Präsenz ist bei einer Eskalation direkt bedroht; Bereitschaftspläne dürften bestehen. Das Angebot Berns zu Vermittlung ROK-PRK ist unbedenklich, konkrete Nachfrage dafür besteht, soweit bekannt, allerdings nicht.

Sorgen bereiten könnte allenfalls die nordkoreanische Präsenz in Bern und ihr wirtschaftliches, insbesondere finanzielle Umfeld. Ganz zufällig war ja der bekannte Aufenthalt von Kim als teenager in Gümligen nicht; die Botschaft spielte zumindest in der Vergangenheit als nordkoreanischer Brückenkopf in Europa eine gewisse Rolle.

Von unmittelbarer Bedeutung für in Asien tätige Unternehmen ist die Abklärung, ob mit einem Wirtschaftspartner oder auch einem Bauprojekt in Drittländern allenfalls indirekte Auswirkungen von Boykottmassnahmen bestehen könnten. Eine ganze Anzahl Länder, so beispielsweise Katar und Malaysia beschäftigen beispielsweise nordkoreanische `Gastarbeiter‘, was gegen die Boykottbestimmung zur Unterlassung wirtschaftlicher Unterstützung des nordkoreanischen Regimes verstösst. Weiter sind für Nordkorea verschiedene `Strohmann`-Firmen im Drittausland produktiv tätig und /oder besorgen für Kim und seine Führungsclique Mittelbeschaffung und Zahlungsverkehr. Nordkorea verfügt zudem heute über ein substantielles System und Instrumentarium von Cyberkriminalität, welche sich ausserhalb des Landes selbst hinter Scheinadressen eingenistet hat(WOK).

 Allgemeine geopolitische due diligence in schwierigen Märkten für schweizerische Unternehmen

  1. Kontaktnetze und Informationsquellen im Verkaufs/Lieferungs/Produktions – Land aufbauen(erste Gespräche sind fast immer gratis!)
  • offiziell: schweiz. Botschaften, Swissnex (Forschung/Wissenschaft), Botschaft des Ziellandes (nicht nur Visa!)
  • halboffiziell: Switzerland-Global Enterprise (S-GE, halbstatlicher Exportförderer), Institute und think-tanks an Universitäten in der Schweiz und im Zielland, Exportförderer im Zielland
  • Peer Groups: Schweiz. Handelskammern/Swiss Business Associations, International Chamber of Commerce mit nationalen Chapters.
  1. Güter und Dienstleistungen vor Lieferung auf ‘Dual use’ (zivile und militärische Verwendung möglich)und Nichtweiterverbreitungs (Nonproliferation) – Potential überprüfen:
  • Wassenaar Group: Kontrolle von konventionellen Waffen sowie von dual-use Gütern und  Technologie.
  • Missile Technology Control Regime: Nichtweiterverbreitung von Waren/Technologie für Raketen und Drohnen.
  • Nuclear Suppliers Group : guidelines für Exporte, die potentiell Nuklearproliferation fördern.
  • Australia Group: Internationale Harmonisierung von Exportkontrollen zur Verhinderung der Entwicklung von chemischen und biologischen Kampfstoffen.

Die Schweiz ist Mitglied dieser vier internationalen Übereinkommen; deren Verletzung kann ein Strafverfahren nach sich ziehen. Information und Beratung beim Staatssekreatariat für Wirtschaft des EVD(Seco).

  1. Indirekte Auswirkungen: International (UNO, OECD, EU) vereinbarte, ebenso wie national von den USA verhängte Boykottmassnahmen können indirekte Auswirkungen haben, indem sie auch jene treffen, welche mit dritten Parteien Wirtschaftsbeziehungen unterhalten, die ihrerseits mit dem boykottierten Land/Produkt/Dienstleistung direkt befasst sind. Aktuelle Beispiele:
  • Geschäftliche Beziehungen mit staatlichen oder privaten Firmen in Ländern, welche nordkoreanische Arbeiter beschäftigen.
  • US-Strafmassnahmen gegen eine französische Bank mit einer Niederlassung in den USA, welche für den Iran Zahlungen in US Dollar abgewickelt hat, ungeachtete davon, dass die Operation weder sachlich noch territorial mit den USA zu tun hatte.

Picture: Conan Mizuta